Hi Roland,
eigentlich wollten Marc, Christian und ich Samstag besprechen (da treffen wir uns nämlich in England) ob wir ein Q&A machen, nachdem die letzten alle -sagen wir mal vorsichtig- schwierig verlaufen sind. Da du uns nun vor vollendete Tatsachen gestellt hast gebe ich Dir gerne meine Antwort auf Deine Fragen. Sie wird etwas länger werden, denn ich glaube das was Du meinst hat mehrere Gründe und führt zwangsläufig auch zu einer Zusammenfassung meiner "Amtszeit". Ich habe seit meinem Antritt vor 2 Jahren versucht alle Baustellen anzugehen, aber es geht insgesamt nur recht langsam voran. Die Rückmeldungen aber quer durch Deutschland werden zunehmend positiver, was ein gutes Zeichen ist, finde ich.
Nun aber Konkret:
Der erste Punkt ist:
Ich glaube es besteht in Deutschland ein gewisser Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wie Du richtig schreibst landen wir seit Jahren im Mittelfeld. Dabei ist es egal wer nun wirklich angetreten ist.
Du hast aber Unrecht, dass wir gleichviele Spieler wie Frankreich, Italien oder Spanien haben. Wenn Du mal die spanischen und französischen Turniere siehst, da hast Du in beiden Ländern gleich mehrere mit 150+ Teilnehmern, die hier kaum bekannt sind (Lutecebowl als das bekannteste). Insgesamt ist also die Community was das Tabletop angeht in den drei von Dir genannten Ländern größer. Ich bin in den letzten Jahren wirklich auch im Ausland auf viele große Turniere gefahren um mir die Unterschiede anzusehen: folgende Dinge sind mir dabei aufgefallen
- Die anderen Nationen haben schlicht bessere Spieler als wir (aber nur in der Spitze nicht in der Masse) - zu dem Punkt komme ich nachher nochmal zurück
- Die anderen Nationen sind BB-verrückter als wir
- Die anderen Nationen spielen anders BB als wir
Der zweite Punkt ist:
- In anderen Nationen existiert ein ganz anderer Teamspirit als bei uns
Es gilt natürlich der alte Satz, um im TT-BB besser zu werden muss man möglichst viele Spiele gegen möglichst viele verschiedene Gegner spielen um seine Schwächen aber auch Stärken zu erkennen. In Deutschland bleibt die Community viel unter sich, es gibt nur wenige Spieler überhaupt die durch Deutschland reisen, noch weniger reisen zu Turnieren im Ausland. Für eine gewisse Spielstärke ist dies aber schlicht notwendig. Wir alle kennen die lokalen Turniere wo wir grob wissen wer wie spielt, und wie man wen besiegt - am Ende entscheiden die Würfel wer von den 10 üblichen Verdächtigen das Turnier gewinnt. Viele fahren aber nicht aus ihrem Dunstkreis heraus (kostet auch Geld und Urlaubstage, darf man nicht vergessen ist immer unser Totschlagargument). Der Dungeonbowl ist die löbliche Ausnahme, da fahren in der Regel alle Spieler hin (und genauso oft öffnet er auch Leuten die Augen). Insgesamt macht es zu einem gewissen Teil die Erfahrung und schlicht die Masse an Spielen was geht und was nicht geht und zu realisieren ob man nun wegen der Würfel verloren hat oder weil man doch Fehler gemacht hat. Viel mit einer Rasse spielen ist mE auch wichtig. Jeder findet mit seiner Rasse/seinen Rassen auch einen Weg mit dem er klar kommt (der nicht einmal für den anderen der Weg sein muss) wenn er alle Situationen zum Beispiel erlebt hat. Ich kann das bei mir vor allem an Norse und Chaoszwergen beschreiben, die T1-Rasse mit denen ich die meisten NAF-Spiele habe: Ich weiss, was geht, ich weiss was nicht geht und ich weiss auch wie ich bestimmte Spiele angehen muss. Ich weiss mit denen auch wie ich gegen welchen Gegner wieviel Risiko nehmen muss und ob das klappen kann. Diese Erfahrungswerte kommen mit der Zeit und bedingen schlicht Spiele so doof es klingt. Ich lerne in jedem Spiel und in jedem Spiel sehe ich noch Züge die ich hätte besser spielen können - aber mit Norse habe ich kaum noch Situationen wo ich mir sage: Oh das hätte ich mit einem anderen Setup anders gelöst oder da hätte ich besser so gespielt. Bei fast allen anderen von Dir angesprochenen Nationen haben die Spieler in den Nationalteams meist noch mehr Spiele als wir (nur ganz selten weniger).
Die anderen Nationen sind deutlich verrückter als wir. Wir können es auch nicht anders sagen, wir sind die verkopften Deutschen, was uns auch an anderer Stelle immer wieder Probleme macht (da braucht man nur mit offenen Augen hier durchs deutsche Forumzu schauen). Wir denken viel, einige reden noch mehr (manche so viel dass andere genervt sind und mit denen noch nicht mal mehr in ein Team wollen). Wir haben auch eine gewisse Affinität uns falsch verstehen zu "wollen" (auch dafür findest Du hier am Forum schöne Beispiele). Wir haben seit Jahren Spieler wo häufig mit dem Finger auf die jeweils anderen gezeigt wird, statt sich mal kennen zu lernen. Dies hat zu unglücklichen Aussagen geführt und in der Folge dazu geführt, dass sich einige Spieler mit grausen von den Diskussionen abwenden und schlicht kein Bock auf bestimmte Themen haben. Ich bin in den letzten Jahren wirklich auch bewußt viel durch Deutschland gereist um Vorurteile abzubauen, Leute näher kennen zu lernen (nimm uns beide zum Beispiel, alle unsere Gespräche habe ich in guter Erinnerung, vor drei Jahren kannten wir uns nicht wirklich) um dies schlicht zu durchbrechen. Einige andere haben dies auch getan. Aber es sind insgesamt noch zu wenige. So komme ich nahtlos zum Teamspirit. Da können wir noch extrem viel von anderen Nationen lernen. Es wird kritisch hier beäugt, da beäugt. In Schweden kam es am Ende zu einer Situation wo sich Spieler negativ über andere Spieler des Teams geäussert haben ("Den hätten wir besser nicht mitgenommen"). So lange wir in diesen Gedanken noch hängen ist es mit dem Teamspirit noch weit hin. Das hat etwas mit Ängsten zu tun übervorteilt zu werden, aber auch und vor allem mit der Einstellung einzelner zu den anderen Spielern. Da haben wir Verbesserungsbedarf. Ich habe als ich vor 2-3 Jahren anfing von Anfang an gesagt, dass eines der Hauptziele sein muss, dass die Leute Bock haben auf das Eurobowl - Team, dass sie ggf. zuhause (besser im Turnier als Europen-Spieler) mitfiebern und anfeuern. Das ist in Portugal schon deutlich besser gewesen, dort fiel im ganzen Turnier kein einziges negatives Wort über Mitspieler und zumindest die Twitternachrichten wurden mehr verfolgt. Leider waren dort nur zwei Europen-Mannschaften aus Deutschland da. Die Turniere von Belgien und davor kenne ich nur vom Hörensagen, von daher habe ich da keine direkten Erfahrungen und kann mich dazu nicht äußern. Da möchte ich auch nicht Informationen aus zweiter Hand weitergeben.
Was war also der Weg - Ein Trainingslager - das Teamwochenende einzuführen. Die Idee hatte ich von den Franzosen und Engländern, die das regelmässig durchführen um besser zu werden, Bier zu trinken und als Team zusammen zu wachsen. Wer ein bisschen mehr in Leitungspositionen in Unternehmen ist kennt die verhassten Team-Building-Maßnahmen - aber genau das hat uns gefehlt und fehlt uns immernoch. Im ersten Jahr habe ich das leider nur für das Team selbst organisiert, seit dem letzten Jahr ist es offen für alle. Die Resonanz vor allem im letzten Jahr war für mein Empfinden eher mau. Das mag am Termin gelegen haben, aber ich habe nur von zwei Leuten erfahren die gerne gekommen wären und wegen Terminen nicht konnten (Michael und Alex, falls ich wen vergessen habe - sorry). Einige (auch von denen die sich im Team sehen) haben keinerlei Interesse daran gezeigt (oder es mir oder Gaunab, der es netterweise organisiert hatte geschrieben). Mein Konzept war auch in den letzten Jahren möglichst Spieler aus ganz Deutschland im Team zu haben und auch die Entscheidung wer im Team spielt auf breite Basis zu stellen. Ich habe in beiden Jahren jeweils 4 Spieler nominiert (nein, kein einziges Mal habe ich das NRW-Grüppchen komplett nominiert . kann ich halt nur schlecht beweisen) und dann mit den anderen überlegt wer ins Team passt (Von der Spielstärke UND vom menschlichen Aspekt her). Ebenfalls habe ich darauf geachtet möglichst aus allen Ecken Deutschlands Spieler im Team zu haben. War schwierig, da - da bin ich ehrlich - aus Norddeutschland sich nur sehr wenige bislang aufgedrängt haben und von diesen wenigen einige aus o.g. Gründen aktuell keine Lust aufs Deutschland-Team haben. Einige haben auch schlicht keine Zeit (es gibt einen an dem baggere ich seit Jahren!). In beiden Jahren musste das Team noch verändert werden, da Spieler abgesprungen waren. Hier nochmal danke an Thorsten in Schweden und Peter in Portugal dass ihr einfach so eingesprungen seid. Ist nicht selbstverständlich!
Man kann nu sagen "was ist der Andreas überhaupt so vorangegangen" - die Antwort ist einfach: Ich wurde schlicht danach gefragt (bei meiner ersten Nominierung bin ich nicht angetreten) und von mehreren Seiten (und ja tatsächlich nicht nur aus NRW) darum gebeten. Mir wurde auch gesagt, ich sei einer mit dem alle in Deutschland "leben können" und der vernünftig sei, was bei vielen anderen nicht so sei (kann ich nicht beurteilen). Und ich mache den Job nach wie vor gern. Am Anfang vielleicht ein bisschen zu sehr mit dem Kopf durch die Wand (auch ich lerne!) aber doch und das lasse ich mir auch nicht in Abrede stellen: mit den besten Absichten.
Um zu den Vergleichen mit anderen Nationen zurück zu kommen: Spiele gegen Dänemark (im Schnitt bessere Spieler als wir) und Schweden (im Schnitt etwa gleichstark, von meinem Gefühl her sind wir ein bisschen stärker) - wir haben gegen die Schweden in Schweden richtig auf den Deckel bekommen- aber die standen uns als vollkommen einheitliches Team gegenüber, etwas was die Schotten und Waliser und auch die Polen gut können. Da wird bei einem TD gejubelt, beim entscheidenden 8 Spiel stehen alle Dänen um den Gegner herum während bei uns nur 4-5 in der Nähe waren. Das fehlen von diesem Teamspirit ist mE auch ein Grund warum wir im Mittelfeld sind. Die diskutieren auch nicht so viel über Skills und Rassen wir wir - die Spielen einfach: Psyche spielt eine Rolle.
Man kann nach einer Niederlage allen 8 ein Bier spendieren und sagen "Scheiss drauf" - man kann auch (und das machen wir noch zu viel aber da werden wir wirklich besser!) mit hängender Mine rumsitzen. Variante 1 ist die meine. Ist nicht jedermans Sache, wir haben auch eher in sich gekehrte hervorragende Spieler, aber auch hier empfinde ich dass einige zumindest mir gegenüber in den lezten Jahren etwas "aufgetaut" sind. Ich bin halt auch nicht mehr der komische aus dem Westen, wo man nicht weiss was der will. sondern die meisten können mich mittlerweile besser einschätzen.
Farerweise Gegenbeispiel hierzu sind die Engländer die wirklich alles ausdiskutieren und immer mit ihrem Standard-Setup spielen. Da sind die Spieler aber so gut, dass das auch in den nächsten Jahren noch für alle anderen reichen wird, wenn nicht irgendwelche Wunder passieren.
Wie ich schrieb sind wir hier langsam auf einem Weg der Besserung aber wie man auch hier am Forum sieht ist der Weg lang. An gewissen lokalen Foren und WhatsApp-Gruppen wird immer noch über andere gelästert - es ist klar Veränderungen und Vertrauen sind zäh und brauchen Zeit. Ich hatte es in Porto auch in der Runde gesagt - ich bin der festen Überzeugung dass alle in Wahrheit dasselbe wollen. Leider ist das Vertrauen noch nicht bei allen dafür da. Immerhin haben wir schon ein gemeinsames Forum wo alle für das Eurobowl - Team relevanten TT-Spieler Deutschlands zumindest angemeldet sind und mitlesen können (wenn sie sich auch nicht beteiligen).
Um den Text nicht komplett ausufern zu lassen und aufs Thema zurück zu kommen:
Realistische Ziele: Ich habe auf dem ersten Teamwochenende den Fehler gemacht zu postulieren dass ich irgendwann mal um den Sieg mitspielen möchte. Der Fehler war nicht das Ziel sondern schlicht die Kommunikation. ich weiss dass mir das hinter vorgehaltener Hand (siehe oben!
) immernoch vorgeworfen wird dass das doch utopisch sei.
Wenn wir die Spielstärke realistisch betrachten denke ich dass wir im Mittelfeld sind. Sind die Würfel gut geht was nach oben, sind sie normal werden wir das wo wir jetzt landeten, sind die Würfel mies gehts auch unter den Schnitt. Ich denke auf dem Weg nach oben ist in den nächsten Jahren realistisch mal Platz 5-6 anzupeilen, wenn sich Leute finden, die konsequent besser werden wollen und es dann auch werden (große Turniere besuchen, aus dem Tellerrand schauen, ihre BB-Erfahrungen erweitern). Damit habe ich auch gleich geschrieben welchen Typ Spieler ich im Team sehe, falls ich wieder gewählt werden sollte.
Das alles ist natürlich nur meine persönliche Meinung und ich weiß, dass einige Inhalte hier anders sehen. Ich weiß auch, dass ich im Internet oft anders herüber komme als wenn man mit mir am Brett oder beim Bier spricht, deswegen lade ich immer alle gerne dazu ein dies mit mir zu tun. Ich gebe auch gerne Biere aus! Sprecht mich direkt an, geht weg vom anonymen Internet, ihr werdet in der Regel auf irgendeinem Turnier in Deutschland die Möglichkeit haben mich anzusprechen. Wenn jemand Probleme mit bestimmten Aussagen hat dann redet mit mir drüber (eine Einschränkung - ich will nicht nochmal 3h in York in der Kälte stehen, so dass sich die anderen Sorgen um mich machen
).